Nicht ohne meinen Torwart

Nicht ohne meinen Torwart

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René Higuita der „Vorreiter“, bei einem berühmten Fehler

Eine landläufige Fußballerweisheit besagt, dass neben Linksaußen auch Torhüter verrückt sein müssen. Ich denke, aber das sie nicht nur (ein bisschen) verrückt, sondern auch gute Fußballer – sprich Feldspieler – sein müssen, um erfolgreich spielen zu können.

Dabei möchte ich hier auf zwei Aspekte eingehen und zur Umsetzung anregen.

  1. Den Torhüter oft im Feld spielen lassen.
  2. Den mitspielenden Torhüter ausbilden.

Auch hier führt der Weg wieder weg vom Ergebnisdenken, hin zum Ausbildungsdenken. Und der nächste Schritt nach dem Denken ist dann das Handeln.Viele Trainer sind froh, wenn sie einen Torwart gefunden haben. Dieser wird dann oftmals – meist mangels Erfahrung mit dem Thema – auch seiner Bezeichnung gerecht und „wartet“ im Tor. Und das tut er fleißigst auch in jedem Training so oft wie nur möglich. Dabei wird er dann auch nur selten mit wertvollen Tipps gefüttert, um sich positionsspezifisch zu verbessern. Er lernt quasi in Eigenregie aus Fehlern und von gelungenen Aktionen; Manchmal auch was falsches. Vor allem aber lernt er eines dabei nicht: Mitzuspielen bzw. mit dem Ball als Feldspieler umzugehen.

Im modernen Profifußball sind etwa 80% aller Torwartaktionen offensiv. Dabei sind aber nicht nur Abwürfe und Abstöße in großer Zahl von Nöten, sondern auch das verarbeiten von Rückpässen, das Erlaufen von Steilpässen des Gegners, die Ausführung von Freistößen oder das ballhaltende Spiel hinten herum. Außerdem gibt es nicht selten 1 gegen 1 Situationen mit heraneilenden Angreifern, wo nur wenige Trainer höchster Spielklassen mit dem konsequenten, klärenden Ball zufrieden sind.

Das alles erfordert Übung. Nur wer die Situationen kennt, die Techniken beherrscht und die nötigen Wiederholungen darin hat, wird später gut mit solchen Anforderungen umgehen können. Wie bei Feldspielern, lernen auch Torhüter die Feldspieler-Techniken am besten im Kindes- und goldenen Lernalter. Daraus ergibt sich zwangsläufig, das ein Torspieler (der geneigte Experte bemerkt den Wechsel der Bezeichnung) im Kleinfeldbereich möglichst viele Übungen als Feldspieler absolvieren MUSS. Aber da auch üben alleine nicht reicht, muss er es auch anwenden können und dürfen. Das geht am besten als Feldspieler,also braucht er Spielzeit auf dem Feld. Wir wollen auch gar nicht so früh feste Torhüter haben, deswegen bietet es sich geradezu an, auch auf dieser Position öfters zu rotieren. Jeder kann, aber niemand muss ins Tor.

Sicherlich bringt es nichts gegen Top-Clubs unerfahrene Jungs in die Kiste und den ungeübten Torspieler ins Feld zu stellen, aber es ergeben sich oft genug Möglichkeiten bei Turnieren in Testspiele (sind ja schließlich per Definition zum Testen da) oder in Pflichtspielen. Wenn man vorher klärt, dass und warum man das macht, steigt sicherlich auch die Bereitschaft der Spieler und Eltern eine Niederlage deswegen zu riskieren.

Und mal ehrlich: Jeder Trainer, der eine Weile dabei ist, hat bei einem Turnier schon mal einen „besten Torhüter“ erlebt, der es wurde, weil er sehr gut mitgespielt hat, oder eben gar kein Torhüter im eigentlichen Sinne war, sondern nur ein eingesprungener Feldspieler.

Der zweite Punkt ist, dass viele Torspieler oft an der Torlinie oder kurz davor wie angetackert stehen und warten bis das Spiel zu ihnen kommt. Als Außenstehender wirkt das immer so, als würde einer an der Bushaltestelle stehen und auf den Bus warten. Durch die optische Nähe eines Kleinfeldtores zu einem BVG-Warthäuschen wird dieser Eindruck ein wenig verstärkt.

Das ist für den Torhüter oftmals relativ langweilig, aber es ist auch für die Mannschaft gefährlich und nicht zu letzt geht dabei Zeit zum Üben des oben beschriebenen verloren.

Langeweile ist für ein Kind – wie auch für Erwachsene – äußerst unattraktiv und lässt damit auf Dauer die Lust verlieren. Außerdem birgt es die Gefahr, dass der Spieler „abschaltet“ und so von einem Angriff überrascht oder zumindest kalt erwischt wird, was seine Handlungsmöglichkeiten verschlechtert. Würde er aufrutschen und mitspielen, wäre er mental ständig im Geschehen involviert und könnte zudem lange Bälle des Gegners abfangen. Der Vorteil wäre dabei, dass sein Team sich ettliche Laufwege sparen würde, der Ball schneller wieder vor das gegnerische Tor kommen könnte und gefährliche Aktionen vor dem eigenen Tor deutlich reduziert werden könnten. Und nicht zuletzt lernt der Torspieler mit jedem Ballkontakt wieder dazu.

Je offensiver man diese mitspielende Rolle interpretieren lässt, desto mehr Risiken birgt das ganze anfangs, doch wird ein guter Spieler schnell lernen und ein Gefühl dafür entwickeln, wie weit er gehen kann – im doppelten Sinne.

Vom Trainer erfordert es Mut, Unterstützung und Anleitung. Es bringt ihm aber die aufgeführten Vorteile und die Gewissheit seine Schützlinge auf den richtigen Weg zu bringen.

Wer im Kleinfeld Mut zu dieser Lücke im Tor hat, wird später ein besseres Fundament ernten, als die die es nicht versuchen.

1 Gedanke zu „Nicht ohne meinen Torwart

  • Matthias ( Matze )
    17. Dezember 2014 um 10:10

    Eine sehr informative Seite mit guten Ausführungen.
    Erwähnen sollte man dennoch, dass ein Torwarttraining erst ab dem 10. Lebensjahr durchgeführt werden sollte.
    Zum Thema mitspielender Torwart..ein Torwart muss nicht ein sehr guter Feldspieler sein, er muss das Feldspiel sehr gut verstehen.
    Um einen mitspielenden Torspieler ( Torhüter ) zu haben muss ein gewisses Maß an Wahrnehmungsschnelligkeit, Antizipationsschnelligkeit und Entscheidungsschnelligkeit vorhanden sein.
    Das ist in der Regel im Alter von 10- ? Jahren noch nicht vorhanden, weshalb die Raumverteidigung bei Torhütern erst im D / C-Jugend Bereich gezielt geschult wird. Vorher steht ausschließlich die Technik an erster Stelle und die beschränkt sich auf Fangen, Kippen ( Fallen ) und teilweise Hechten und das Stellungsspiel ( gleichgroße Verteidigungszonen schaffen im Tor / Standzone / Kippzone / Abdruckzone )
    Auch ich bin natürlich für einen mitspielenden Torhüter, so ist der moderne Fußball, aber dennoch sollte man nicht die Hauptaufgabe eines Torhüters vergessen…Tore verhindern und das auch mit geschulten Bewegungen vor / an der Torlinie.

    Bitte mache weiter so lieber Jens und arrangiere dich weiterhin so für unseren geliebten Sport FUSSBALL.

    LG Matthias Matze / Lizensierter Torwarttrainer SC-Staaken 1919

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